Laudatio zum Förderpreis 2005

Förderpreis 2005
der
ZNS - Hannelore Kohl Stiftung

Laudatio

von Dr. med. Annegret Ritz, Bremen
zur Übergabe an den Preisträger


Herrn Priv. Doz. Dr. med. Dr. rer. nat. Jan Schwab,
Tübingen,
für die Arbeit:

"Cyclooxygenase-1 (COX-1) als Entzündungsmediator nach Verletzungen des zentralen Nervensystems"


anlässlich der gemeinsamen Jahrestagung
der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie und Klinische Neuropsychologie  (DGNKN)
und
der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR)
am 7. April 2005 in München


Das 1983 von Dr. Hannelore Kohl gegründete KURATORIUM ZNS für Unfallverletzte mit Schäden des zentralen Nervensystems und die von ihr 1993 gegründete HANNELORE KOHL - STIFTUNG , inzwischen zusammengeschlossen als „ZNS - Hannelore Kohl Stiftung“, verleihen seit 1993 in zweijährigem Turnus einen Preis zur Förderung der Forschung im Bereich der Rehabilitation von hirnverletzten Unfallopfern.

Dieser Förderpreis wird für hervorragende wissenschaftliche Arbeiten zur Erforschung, Entwicklung und Erprobung von diagnostischen und therapeutischen Verfahren in der neurologischen, neurochirurgischen und neuropsychologischen Rehabilitation vergeben. Er soll eine Auszeichnung für hervorragende Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses auf dem Gebiet der Rehabilitation Hirnverletzter sein.

In diesem Jahr wurden 21 Arbeiten eingereicht, die von einem Preisrichterkollegium beurteilt wurden. Dieses setzte sich zusammen aus den ärztlichen Vorstandsmitgliedern des KURATORIUM ZNS: Dr. Annegret Ritz, Bremen, als Vorsitzende, Prof. Dr. W. Bock, Düsseldorf, und Prof. Dr. Dr. K. Mayer, Düsseldorf, sowie den Herren Prof. Dr. E. Koenig, Bad Aibling, Prof. Dr. K.-H. Mauritz, Berlin, Prof. Dr. Dr. Schönle, Magdeburg, und Prof. Dr. K. R. H. von Wild, Münster.

Zum diesjährigen - und damit bereits 7.- Preisträger wurde gewählt:
Herr Priv. Doz. Dr. med. Dr. rer. nat. Jan Schwab aus Tübingen.
Er erhält den Preis für seine Arbeit zum Thema: „Cyclooxygenase-1 (COX-1) als Entzündungsmediator nach Verletzungen des zentralen Nervensystems“.

Nach dem Studium der Medizin in Tübingen und New York promovierte Dr. Schwab, jeweils in Tübingen, im Jahr 2000 zum Doktor der Medizin und 2003 zum Doktor der Naturwissenschaften und wurde im Mai 2004 für das Fach Experimentelle Neuropathologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen habilitiert.

Seit 1999 ist Dr. Schwab wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hirnforschung der Universitätsklinik Tübingen. Gleichzeitig hat er in den Jahren seither jedoch auch in vielen international renommierten Forscherteams mitgearbeitet, u.a. in Tel Aviv, New York, San Diego, New Jersey, Paris und jetzt z.Zt. an der Harvard Medical School in Boston.
Es würde den Rahmen dieser Laudatio sprengen, die ihm für seine Forschungstätigkeit zuerkannten Stipendien und Preise im einzelnen aufzuführen. Mit seinen erst 36 Jahren hat Dr. Schwab bereits eine beeindruckende Liste hochkarätiger Publikationen vorzuweisen, darunter 24 Originalarbeiten mit ihm als Erstautor.

Bei all seinen Forschungsarbeiten geht es Dr. Schwab um die entscheidende Frage: Was passiert im zentralen Nervensystem (ZNS) nach traumatischen, aber auch hypoxischen Gewebsschädigungen?
Wissen wir doch alle, dass den in Folge der direkten, d.h. primären Schädigung auftretenden Reaktionen des verletzten ZNS für die Langzeitfolgen nach ZNS-Läsionen meist die wesentlich größere Bedeutung zukommt. Gelingt es, diese Sekundärschäden zu verhindern oder zumindest zu mindern, so bedeutet dies eine wesentliche Verbesserung der Ausgangsbasis und damit der in der Neurorehabilitation erreichbaren Ergebnisse.

In experimentellen Modellen (Tierversuchen) und in Untersuchungen zur humanen Pathophysiologie hat Dr. Schwab Aspekte der Neurobiologie, Neuroimmunologie und Klinik nach ZNS-Verletzungen erforscht. Sein besonderes Interesse galt dabei den durch ZNS-Läsionen ausgelösten Entzündungsprozessen, den diese bestimmenden Entzündungsmediatoren, und hier speziell den Cyxclooxygenasen.
Die Cyclooxygenasen und deren Produkte unterhalten Vorgänge wie Ödembildung, Blut-Hirn-Schrankenstörung und Radikalenbildung / Lipidperoxydation, die das sogenannte sekundäre Impairment fördern.

Basierend auf seinen vorausgegangenen Arbeiten beschreibt Schwab in seiner für den Förderpreis eingereichten Arbeit, dass nach Läsion in das ZNS einwandernde Monozyten konstitutiv das Entzündungsgen Cylooxygenase-1 (COX-1) exprimieren. Dies ist ein hochrelevanter Befund. Während sich die Forschung bisher auf induzierbare Entzündungsfaktoren, wie z.B. die COX-2 konzentrierte, konnte Schwab nun zeigen, dass die konstitutiv exprimierte COX-1, welche in großem Umfang mit den Monozyten in das ZNS eingeschleust wird, die der induzierten COX-2 überwiegt, d.h. dass in fast allen Phasen nach ZNS-Verletzung die läsonale COX-1-Zellzahl die der COX-2-Zellen bei weitem übersteigt. Die früh nach ZNS-Läsion einsetzende und lange -über Wochen bis Monate- anhaltende Akkumulation/Proteinexpression von COX-1 Mikroglia/Makrophagen im Läsionsareal unterstreicht die entscheidende Rolle von COX-1 sowohl während der pathologischen/physiologischen Gewebeneuorganisation und der Ausbildung des Sekundärschadens, sowie bei der durch ZNS-Verletzung induzierten Immundefizienz. Sie scheint darüber hinaus von Bedeutung sein für die häufige Entwicklung einer sekundären Alzheimer Demenz nach ZNS-Verletzung.

Bei der COX-1 handelt es sich um ein pharmakologisch gut beeinflussbares Ziel. Der ZNS-gängige pan-COX-Inhibitor Indomethazin ist in der Lage, die lokale Entzündungsantwort nach ZNS-Verletzung und deren Folgen zu reduzieren. Die klinische Bedeutung dieser Arbeit von Dr. Schwab liegt somit darin, einen vielversprechenden pharmakologischen Weg aufzuzeigen zur

  • Eindämmung der Progression des Sekundärschadens,
  • Abschwächung der durch das ZNS-Trauma induzierten Immundefizienz und
  • Prävention der posttraumatischen sekundären Alzheimer Demenz

Zusammenfassend handelt es sich um eine Arbeit, die

  • grundlagenwissenschaftlich relevante Mechanismen des Schadens nach ZNS-Trauma charakterisieren konnte,
  • für die Relevanz dieses experimentellen Befundes beim Menschen überzeugende Hinweise finden konnte und zudem
  • vielversprechende Wege zur Verbesserung des Outcome nach ZNS-Verletzung aufzeigt

Für diese preiswürdige Arbeit wird daher Herrn Priv. Doz. Dr. Dr. Schwab der Förderpreis 2005 der ZNS - HANNELORE KOHL STIFTUNG, der aus einer Urkunde und einer Prämie von 15.000,00 € besteht, zuerkannt.

Unter den 21 eingereichten Arbeiten sind noch zwei andere Arbeiten besonders erwähnenswert und herausragend. Das Preisrichterkollegium hat daher die Autoren mit einer Urkunde für den 2. und 3. Platz ausgezeichnet, und zwar

Frau Dr. phil. Antje Lorenz,
Institut für Linguistik der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam,

 für die Arbeit:
„Die Behandlung von Wortabrufstörungen bei Aphasie: Eine methodenvergleichende Studie zum Bildbenennen“
und
Herrn Dr. med. Dipl. Psych. Michael Andreas Nitsche,
Abteilung Klinische Neurophysiologie des Zentrum Neurologische Medizin der Universität Göttingen,

für die Arbeit:
„Erzeugung und Modulation von Neuroplastizität im humanen motorischen Kortex durch transkranielle Gleichstromstimulation“.

Diese Auszeichnung von drei jungen Wissenschaftlern für ihre herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten steht beispielhaft dafür, dass für die Neurorehabilitation sowohl die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung wie auch die angewandte, klinisch orientierte Forschung notwendig und unverzichtbar sind.