Neurorehabilitation

Mit Hilfe eines robotergestützten Gangtrainers wird in der Neurorehabilitation das Gehen trainiert.

Schwer schädelhirnverletzte Patienten benötigen gezielte neurologische Rehabilitationsmaßnahmen für eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Familie, das soziale Umfeld, die Schule und den Beruf. Die normale und natürliche Erholungsfähigkeit des Gehirns reicht bei einer schweren Schädelhirnverletzung nicht aus, um eine Rückbildung der Schäden zu erreichen.

Hinzu kommt, dass mehr als zwei Drittel der Betroffenen neben der Hirnverletzung weitere Verletzungen der Extremitäten, des Brust- oder Bauchraumes aufweisen. Besonders folgenschwer sind Kombinationsverletzungen von Gehirn und Rückenmark. Um die Erholungsmöglichkeit und die verbliebenen Fähigkeiten des Gehirns zu nutzen und weiter zu fördern sowie Folgeschäden zu vermeiden, muss die Rehabilitationsbehandlung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einsetzen und ununterbrochen über die Akutbehandlung hinaus fortgesetzt werden. Um diesen schwierigen Krankheitsbildern gerecht zu werden, ist es allerdings zwingend notwendig, eine geeignete Rehabilitationsklinik zu wählen, die personell und organisatorisch den Notwendigkeiten dieser Patienten entspricht.

Die Ärzte werden nach den Befunden eine baldige Verlegung in ein Rehabilitationszentrum veranlassen. Der Einfluss der Kostenträger auf die Auswahl einer geeigneten Rehabilitationseinrichtung hat stark zugenommen. Wichtig für Sie ist der Sachverhalt, dass Ihr Angehöriger aufgrund gesetzlicher Regelungen ein Wunsch- und Wahlrecht besitzt, dem der Kostenträger bei berechtigten Gründen nachkommen muss. Leider befinden sich die meisten dieser Rehabilitationszentren nicht in unmittelbarer Wohnortnähe; längere Wartezeiten sind oft unvermeidbar. Es müssen also Kompromisse gefunden werden. Hierbei sollten Sie bedenken, dass eine frühe Verlegung in ein weit entferntes Zentrum häufig hilfreicher für den Patienten ist, als wochenlang auf einen Platz in der Nähe des Wohnortes zu warten.

Sollten Sie Hilfe bei der Auswahl geeigneter Rehabilitationseinrichtungen benötigen, können Sie das Angebot einer Online-Recherche in unserer Datenbank nutzen oder unseren Beratungs- und Informationsdienst unter +49 (0) 228 97845-52 anrufen.

Grundlage aller rehabilitativen Bemühungen nach Schädelverletzungen ist es, die gestörte Bewusstseinslage zu bessern und den Patienten zu selbstständigen und aktiven Handlungen anzuregen. Frühzeitig wird auf die Rückgewinnung ehemaliger Fähigkeiten hingearbeitet mit Übungen zur Lebenspraxis, wie Nahrungsaufnahme und Körperpflege, Anbahnung der gestörten willkürlichen Bewegungen in Armen und Beinen (Willkürmotorik) und selbstständige Fortbewegung (Mobilität) sowie Aufbau der höheren Hirnfunktionen und des normalen Verhaltens. Wichtig ist die frühzeitige, begleitende schulische und berufliche Therapie, um das endgültige Behandlungsziel, nämlich die erfolgreiche Eingliederung sowohl in Familie und Umfeld aber auch in Schule und Beruf zu erreichen.

Das Phasenmodell der Neurorehabilitation

Das Phasenmodell der Neurorehabilitation

Abhängig vom Heilungsverlauf und Schweregrad erfolgt die Behandlung von Schädelhirnverletzten im Anschluss an die Akutbehandlung in verschiedenen Rehabilitationsphasen:

Phase B
Behandlungs- oder Rehabilitationsmaßnahme, in der noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen. Die Phase B wird Patienten mit nachstehend beschriebenem Schädigungsbild zugeordnet:

  • Bewusstlose bzw. schwer bewusstseinsgestörte Patienten (darunter auch solche mit einem apallischen Syndrom/Wachkoma) mit schwersten Hirnschädigungen als Folge von Schädelhirntrauma, cerebralen Durchblutungsstörungen, Hirnblutungen, Sauerstoffmangel, entzündlichen Prozessen, Tumoren, Vergiftungen und anderem

  • Patienten mit anderen schweren neurologischen Störungen (z.B. Locked-in-Syndrom, Guillain-Barrè-Syndrom, hoher Querschnitt), die noch intensivbehandlungspflichtig sind

Zielsetzung in der Phase B ist es, die motorische, geistige und psychische Funktion der Patienten wieder zu erlangen.

Phase C
In der Phase C sind Patienten kooperativ und bereits in der Lage in der Therapie mitzuarbeiten. Eine medizinische Überwachung ist jedoch noch erforderlich. Es besteht noch ein hoher pflegerischer Bedarf.

Die Patienten sind überwiegend bewusstseinsklar, kommen einfachen Aufforderungen nach, die Handlungsfähigkeit reicht aus, um an mehreren Therapiemaßnahmen täglich von je etwa 30 Minuten aktiv mitzuarbeiten; sie sind teilmobilisiert und benötigen keine intensivmedizinische Überwachung mehr. Es liegt keine konkrete Selbst- und Fremdgefährdung (z.B. durch Weglaufen, aggressives Verhalten) mehr vor.

Phase D
Die Phase D setzt nach Abschluss der Frührehabilitation (Phase B und/oder Phase C) ein.

Die Patienten in der Phase D haben ihre Selbstständigkeit bei Aktivitäten des täglichen Lebens, insbesondere im Bereich der Selbstversorgung wieder erlangt, wie z.B. Waschen, Ankleiden, Toilettenbenutzung, Essen, Mobilität.
Eine durchgängige Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft, Handlungs- und Lernfähigkeit liegt vor.

Im Anschluss an die Phase D kann bei Schülern und Berufstätigen die Überleitung in die Phase E erfolgen.

Phase E
Nachgehende Behandlungs- und Rehabilitationsphase zur beruflichen und sozialen (Re-)Integration und Teilhabe

Mit denen im Dezember 2013 veröffentlichten Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation e. V. (BAR) zur Phase E wurden trägerübergreifende Maßnahmen zur ambulanten Nachsorge beschrieben. Schädelhirnverletzte mit weiterbestehenden alltagsrelevanten Beeinträchtigungen benötigen auf dem Weg zur beruflichen oder schulischen und sozialen Wiedereingliederung eine frühzeitige Beratung und eine konkrete Planung einer
weitergehenden Nachsorge, da ein möglicher Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Zu den nachgehenden Leistungen zur Sicherung der bisher erreichten Rehabilitationsergebnisse und zur Weiterentwicklung der sozialen Teilhabe vor Ort zählen:


Leistungen zur Erreichung und Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben:
Hier besteht eine breite Palette an Leistungen, die je nach beruflichem Status, betrieblicher Situation und individueller Prognose eingesetzt werden können. Zur Verfügung stehen beispielsweise Förderlehrgänge, Arbeits- und Belastungserprobungen, Berufsfindungen oder Leistungen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. In der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) können beispielsweise Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) und
die medizinisch-beruflich orientierten  (MBOR) den Leistungen der Phase E
zugeordnet werden. Keinesfalls sollten wegen unzureichender Beratung mit Abschluss der Phase D bei noch berufsfähigen Betroffenen vorschnell
Rentenanträge gestellt werden.


Leistungen zur Teilhabe an Erziehung und Bildung:
Auch unfallverletzte Kinder und Jugendliche benötigen unterschiedliche therapeutische, pflegerische, medizinische und pädagogische Maßnahmen. Diese sind abhängig von der Entwicklungsphase des Kindes und der Art und Schwere der Beeinträchtigung. Bei Kindern im vorschulischen Alter beinhaltet dies beispielsweise Maßnahmen der Frühförderung oder eine niedrigschwellige Beratung und Unterstützung der Eltern. Betroffene im schulpflichtigen Alter müssen auf den Besuch einer Regelschule oder Förderschule vorbereitet werden. Ihnen ist eine dem Krankheitsbild angemessene Schulbildung zu ermöglichen.

Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft:
Menschen mit einer erworbenen Behinderung benötigen Unterstützung bei der Neugestaltung ihres Lebens. Deshalb sind hier systematische Pflegeüberleitungen und zusätzliche ambulante und wohnortnahe Maßnahmen erforderlich. Diese unterstützen den Hirnverletzten dabei, z. B. seinen Tag zu strukturieren, ihn zur Selbstversorgung zu befähigen oder die Fortbewegung im Lebensumfeld zu fördern.

Im Bereich der Phase E ist die regelhafte Versorgung häufig noch unzureichend. Es fehlt hier ein bedarfsgerechtes Angebot, eine frühzeitige Beratung und konkrete Planung weiterführender Maßnahmen.

Phase F

Die Phase F ist die Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der dauerhaft unterstützende, betreuende und/oder zustandserhaltende Maßnahmen erforderlich sind für die Patienten mit zum Teil schweren, wahrscheinlich dauerhaften oder fortschreitenden Funktionsstörungen.

Der Grad der Behinderung reicht von bleibender Bewusstlosigkeit (im sog. apallischen Syndrom/Wachkoma) bis zu ausgeprägten Funktionsstörungen der geistigen und körperlichen Fähigkeiten (z.B. Beatmungspflicht).

Um ein Ausmaß der Schädigung zu beschreiben wird der Bezeichnung Phase F jeweils ein Kennbuchstabe der vorangegangenen Phasen angehängt: FB, FC, FD, FE.