Ampel-Koalition will ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen
Die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung reagiert mit vorsichtigem Optimismus auf die Pläne der neuen Ampel-Koalition hinsichtlich der Menschen mit erworbener Hirnschädigung (MeH). „Viele der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen sind dringend erforderlich“, erklärt Stiftungsgeschäftsführerin Helga Lüngen, „deshalb sehe ich es als gutes Zeichen, dass sich von uns mehrfach geforderte Änderungen in diesem Dokument wiederfinden. Jetzt müssen den Worten auch Taten folgen.“
Vor der Bundestagswahl hat die „Arbeitsgemeinschaft Teilhabe, Rehabilitation, Nachsorge und Integration nach Schädelhirnverletzung“ (AG Teilhabe), ein Zusammenschluss von Selbsthilfeorganisationen und Fachverbänden unter der Schirmherrschaft der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, wie schon in den Jahren zuvor, Wahlprüfsteine erarbeitet und an die Parteien geschickt. Diese sollten zu den insgesamt 22 Fragen Stellung beziehen, die die Wünsche und Nöte von fast einer Millionen Betroffenen, die an den komplexen kognitiven, psychischen, physischen, sozialen und beruflichen beziehungsweise schulischen Folgen erworbener Hirnschädigungen oder Krankheiten des Zentralen Nervensystems leiden, abbilden. Diese langjährige Öffentlichkeitsarbeit der AG Teilhabe hat offenbar Früchte getragen: So will die Regierung aus SPD, Grünen und FDP nicht nur die Versorgungsstrukturen in Stadt und Land mit innovativen Angeboten ausbauen und „eine wohnortnahe, bedarfsgerechte, ambulante und kurzstationäre Versorgung“ sicherstellen, sie verspricht sogar ein „diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“. Dazu soll bis Ende 2022 ein Aktionsplan erarbeitet werden. „Wir hoffen, dass die Regierung auch die Hinweise der Mitglieder der AG Teilhabe berücksichtigt“ betont Lüngen. „Als Interessenvertretung von Menschen mit erworbener Hirnschädigung kann sie in vielen Fällen einen konkreten Handlungsbedarf benennen und auch Lösungsvorschläge unterbreiten.“
Äußerst positiv bewertet die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung den Koalitionsvertrag hinsichtlich der psychotherapeutischen Nachsorge, die für Menschen mit erworbener Hirnschädigung zu den wichtigsten medizinischen Aspekten nach der stationären Behandlung gehört. „Wir reformieren die Bedarfsplanung, um Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz in ländlichen und strukturschwachen Gebieten deutlich zu reduzieren“, heißt es dazu auf Seite 86. „Wir verbessern die ambulante psychotherapeutische Versorgung insbesondere für Patienten mit schweren und komplexen Erkrankungen und stellen den Zugang zu ambulanten Komplexleistungen sicher.“
Während die Ampel-Koalition viele wichtige Impulse zumindest andeutet und einige Missstände der vergangenen Jahre zu beheben verspricht, bleibt sie an anderer Stelle indifferent. So will sie zwar bürokratische Hemmnisse bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes abbauen, eine Anhebung der Grundsicherungsleistungen findet sich jedoch ebenso wenig im Koalitionsvertrag wie eine Kompensation stark steigender Kosten wie etwa bei Strom und Gas. Hier kann und sollte die neue Regierung noch gegensteuern, um ohnehin stark belastete Haushalte, in denen Menschen mit erworbener Hirnschädigung teils aufwendig gepflegt werden, angemessen zu stützen.
Hintergrund
Die Arbeitsgemeinschaft „Teilhabe, Rehabilitation, Nachsorge und Integration nach Schädelhirnverletzung“ ist ein Zusammenschluss von sechs Verbänden von Betroffenen und Angehörigen sowie Leistungserbringern der ambulanten Rehabilitation und Nachsorge nach Schädelhirnverletzung. Sie organisiert den Nachsorgekongress.
Die verletzten Menschen mit Schäden des Zentralen Nervensystems benötigen aufgrund ihrer spezifischen Einschränkungen oft lebenslange Hilfe und Förderung. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft begleitet Betroffene und Angehörige auch über Akutbehandlung und Rehabilitation hinaus, setzt sich für eine angemessene medizinische Versorgung und Rehabilitation ein und bietet Informationen für Betroffene und Angehörige. Darüber hinaus fördert die Arbeitsgemeinschaft den Austausch unter Fachleuten und Betroffenen und bündelt die Interessen gegenüber Verantwortlichen bei Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen und Politik.