Professor Klaus von Wild, Kuratoriumsmitglied der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, wird Distinguished Professor der Fujita Health University in Japan. Ein Portrait.
Münster/Bonn/Nagoya-Toyake: Damit Menschen mit schweren Schädigungen des zentralen Nervensystems wieder ins Leben zurückfinden, braucht es mehr als effiziente Neurochirurgie allein, weiß Prof. Prof. h.c. mult. Dr. med. Dr. h. c. Klaus von Wild aus Münster. Aus diesem Grunde kooperiert er seit Jahrzehnten mit Experten aus anderen Disziplinen und aus aller Welt – das wurde jetzt mit einer Ehrung in Japan gewürdigt. Am 1. Oktober 2016 berief die Fujita Health University in Nagoya-Toyoake den Neurochirurgen zum Distinguished Professor.
Nicht nur wird von Wild, der der medizinischen Fakultät dieser japanischen Universität schon seit 1999 verbunden ist und bereits eine vierjährige Gastprofessur dort innehatte, weiterhin intensiv vor Ort lehren. Sondern nun bricht zudem eine Phase der intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Universitätsklinikum Münster und der Fujita Health University an. Am 22. November schlossen erstmalig in Europa die verantwortlichen Verwaltungsmitarbeiter und Medizinprofessoren der renommierten japanischen Privatuniversität mit ihren Kollegen am Universitätsklinikum in Münster ein mehrjähriges Kooperationsabkommen. Studierende, Mediziner und vor allem Menschen mit Verletzungen des zentralen Nervensystems sollen davon profitieren, in Japan wie Deutschland. Von Wild ist zuversichtlich, dass das gelingen wird.
„Mein ganzes Trachten ist darauf gerichtet, die Lebensqualität von Patienten nachhaltig zu verbessern“, betont von Wild. Dabei helfen ihm seine Recherchen in aller Welt seit Jahrzehnten. Nach Japan kam er erstmals 1973 durch sein Vortragsstipendium im Rahmen des Weltkongresses für Neurochirurgie. Seitdem fand von Wild im Land der aufgehenden Sonne vielfach Anregungen dazu, was Patienten mit Schädigungen des zentralen Nervensystems bei ihrer Genesung voranbringt. Musik zum Beispiel: Von seinen Begegnungen mit Ryo Noda – erst gefeierter Jazzsaxofonist und Komponist, dann zusätzlich Mediziner und Musiktherapie-Forscher in Osaka – zeigt sich von Wild sehr beeindruckt. Auch die japanische Tradition, in den Genesungsprozess die ganze Familie der Patienten mit einzubinden, nennt er nachahmenswert. Nicht zuletzt lobt er die Mischung aus Forschergeist, Weltoffenheit und buddhistischer Grundhaltung, die viele japanische Mediziner zeigen.
Pionier der neurochirurgisch-neurotraumatologischen Frührehabilitation
Klaus von Wild kam am 4. Mai 1939 in Offenbach am Main zur Welt. „In meiner Familie waren immer alle Ärzte oder Juristen“, berichtet er. Er selbst kümmerte sich bereits als kleiner Junge um verletzte Altersgenossen in Kindergarten und Schule. Folgerichtig studierte von Wild ab 1960 Medizin, und zwar in Frankfurt am Main, Wien und München. „Schon im Präparierkurs wusste ich, dass mich das Gehirn am meisten interessiert“, sagt er rückblickend. Dazu kam die Erinnerung an seinen Großvater, ebenfalls Arzt, der 1925 nach einem Verkehrsunfall infolge einer Hirnblutung gestorben war. Das alles ließ von Wild sein Spezialgebiet finden und danach streben, Menschen mit Schädigungen des ZNS das Leben zu retten. 1968 wurde von Wild promoviert, 1977 als Facharzt habilitiert. Privat fand er sein Glück mit der Kunsthistorikerin Dr. Monika von Wild, mit der er zwei Söhne bekam.
Um Kinder und Erwachsene nach Unfällen sowie tumorbedingten Operationen optimal versorgen zu können, arbeitete der junge Neurochirurg von Anfang an mit Experten anderer Disziplinen zusammen. „Damals galt es als ungewöhnlich, wenn ein Neurochirurg zum Beispiel mit Orthopäden, Endokrinologen der inneren Medizin und Gynäkologie oder Psychiatern kooperierte“, berichtet von Wild. Auch sein Ansatz, möglichst schnell, noch in der Akutphase, mit der Rehabilitation zu beginnen, war in jener Zeit ungewöhnlich. Doch der Erfolg gab von Wild Recht. Viele Hirngeschädigte mit schlechter Prognose überlebten. Etliche, über die geurteilt worden war: „Aus denen wird nichts mehr“, erlangten wieder einen hohen Grad an Selbstständigkeit.
Ab 1970 nahm von Wild – ständig bemüht darum, noch besser zu werden – am ersten Mikrochirurgie-Kurs für Neurochirurgen in Deutschland teil. Prof. Dr. Madjid Samii leitete ihn. In dieser Zeit lernte von Wild auch den (in diesem Jahr verstorbenen) Neurochirurgen Prof. Dr. Hermann Dietz in Mainz kennen, der ihm später den Weg zur ZNS – Hannelore Kohl Stiftung weisen würde.
Ein Luftkissenbett als Katalysator
Erst einmal prägte jedoch Samii weiter von Wilds Karriere. 1977, als dieser Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik im Städtischen Klinikum Nordstadt in Hannover war, wurde von Wild dort Leitender Oberarzt und Samiis ständiger Vertreter.
Fünf Jahre später, 1982, stieg von Wild selbst zum Chefarzt auf – dem der Neurochirurgie am Clemenshospital, eines Lehrkrankenhauses der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Mehr als 5.000 Frühgeborene, reifgeborene Säuglinge, Klein- und Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene sollte er als verantwortlicher Neurochirurg operiert haben, bevor er 2002 regulär aus seinem Amt ausschied.
Nicht nur der Outcome der Eingriffe, sondern die Rückkehr seiner Patienten in einen erfüllten Alltag lag von Wild durchgehend am Herzen. Dieses Ziel fasste auch Hannelore Kohl ins Auge, die ab 1971 als Schirmherrin der neurologischen Klinik des damaligen Bund der Hirnverletzten in Vallendar Menschen mit Schädelhirnverletzungen unterstützte. 1983 gründete sie das KURATORIUM ZNS e.V., um Unfallopfern noch nachhaltiger helfen zu können. Prof. Dr. Hermann Dietz, der Hannelore Kohl von Anfang an unterstützt hatte, bahnte kurz darauf den Kontakt zwischen der Kanzlergattin und Prof. Dr. Klaus von Wild an. Zwei engagierte Menschen, ein gemeinsames Thema – das musste einfach passen!
„Ein Luftkissenbett wurde der Katalysator für unsere vertrauensvolle enge Zusammenarbeit“, berichtet von Wild. Er hatte zuvor bei Hannelore Kohl angefragt, ob ein Spezialbett für Schwerstkranke in der neurochirurgischen Abteilung des Clemenshospitals unterstützt werden könnte – das KURATORIUM ZNS sagte zu und finanzierte es. „Ich freute mich so sehr und lud Frau Kohl zur Übergabe nach Münster ein“, erinnert sich von Wild. Dankbar und beeindruckt unterstützte der Neurochirurg fortan das KURATORIUM ZNS, später auch die 1993 gegründete „Hannelore Kohl Stiftung für Unfallopfer zur Förderung der Rehabilitation Hirnverletzter“ und schließlich die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, in der beide Organisationen 2005 zusammengeführt wurden. Zunächst Ende der neunziger Jahre von der Gründerin in den Beirat ihrer Stiftung berufen, ist von Wild seit 2008 Mitglied des Kuratoriums und Gutachter der Stiftung.
Gute Ideen um die Welt tragen
Innerhalb des KURATORIUM ZNS und der Stiftung wurde Prof. Dr. Klaus von Wild schnell der Mann fürs Internationale. 1990 veranstaltete der Neurochirurg gemeinsam mit Prof. Dr. Hans Hermann Janzik aus Bonn den ersten internationalen Frührehabilitations-Kongress. In den Folgejahren gründete er zahlreiche Fachgesellschaften. Zum Beispiel initiierte er 1999 die heutige internationale Gesellschaft QOLIBRI, die den weltweit eingeführten Standardfragebogen zur Erfassung der Lebensqualität Schädelhirnverletzter entwickelte, 2003 die World Academy for Neurotraumatology (AMN) und 2008 die International Society for Clinical Neuromusicology (CNM). Bei seinen Einsätzen für die World Federation for NeuroRehabilitation (WFNR) als Leiter der sogenannten Flying Faculty rief er zudem in Indonesien, China und Japan Fachgesellschaften für Neurorehabilitation ins Leben.
Seinen Erfahrungsschatz trägt von Wild auch in ehrenamtlichen Einsätzen um die ganze Welt. Davon zeugen unter anderem seine Ehrenprofessur an der Medizinischen Fakultät für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Al Azhar Universität im ägyptischen Kairo, die Ehrenprofessur des Burdenko Neurosurgery Institute Moskau, Gastprofessuren in Brasilia und Bejing sowie der Ehrendoktor der Universität für Medizin und Pharmakologie Iuliu Hatieganu Chuj Napaco in Rumänien.
Wie bringt man Gelähmte wieder auf die Beine? Wie fördern Musik, Massagen und andere nicht-medizinische Therapien die Rehabilitation am besten? Von Wild suchte und fand immer wieder Antworten auf diese Fragen. „Ich bin ein großer Freund des fachübergreifenden und integrierenden Arbeitens am Bett und am OP-Tisch“, betont er, „und Hannelore Kohl war in ihrem Wirken genauso. Sie fragte immer: Was können wir Neues machen?“
Trotz aller Fortschritte bleibt noch viel für Menschen mit Schädelhirnverletzungen zu tun, ist er sich mit den heutigen Verantwortlichen der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung einig. Die Prävention von Verletzungen – zum Beispiel durch Helme und durch neue Regelwerke im Sport – muss weiter vorankommen. Die Patienten haben es noch immer schwer, nach ihrem Unfall den Weg zurück in Schule, Ausbildung und Beruf zu finden. Ihre Familien werden vielerorts unzureichend unterstützt.
In Japan, betont von Wild, ist man in mancher Hinsicht weiter. Er freut sich auf die nun noch engere Kooperation mit seinen Kollegen, von denen er Prof. Dr. Eiichi Saitoh und Prof. Dr. Tetsuo Kanno vom Fujita Health University Hospital besonders lobend erwähnt. Kanno, der das Department of Neurosurgery leitet, brachte 2000 die Neurochirurgie an seine Universität und legte den Grundstein dafür, dass japanische Mediziner sich in aller Welt fortbilden. Saitoh, Leiter des Department of Rehabilitation Medicine, hat sich mit u.a. mit seinen Robotern für Alte und demente Patienten und durch Exoskelette weltweit einen Namen gemacht. Exoskelette sind durch Computer selbst gesteuerte Außenskelette als Geh- und Greifhilfen für Menschen mit Lähmungen im Bereich der Arme und Beine oder mit Querschnittslähmung. Von Wild freut sich auf den gemeinsamen Weg hin zu noch besserer Unterstützung für Menschen mit Schädigungen des zentralen Nervensystems, sei es in Deutschland, sei es in Japan. „Das oberste Ziel ist, den schicksalhaft Betroffenen zu einer nachhaltigen Verbesserung ihrer Lebensqualität, ihrer persönlichen Zufriedenheit und ihrer Happiness zu verhelfen“, betont er. Entspreche doch „Happiness“ im Sinne der Beglückung dem höchsten erstrebenswerten Ziel aller Japaner. „Dieses Ziel“, so von Wild, „muss auch Frau Dr. Hannelore Kohl im Blick gehabt haben bei ihrer Gründung des Kuratorium ZNS.“
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Prof. Prof. h.c. mult. Dr.med. Dr.h.c Klaus von Wild
Prof. for neurosurgical reconstructive neurorehabil. INI, Hannover, Germany
Distinguished Prof. at Al Azhar University Cairo, Egypt,
Fujita Health University Toyoake, Aichi, Japan
The Burdenko Neurosurgical Institute, Moscow, Russia
© Prof. Klaus von Wild
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Prof. Klaus von Wild informiert sich über Forschungsprojekte aus den Laboratorien von Professor Eiichi Saitoh M.D., D.M.Sc., Executive Vice President, Fujita Health University Professor and Chairperson, Department of Rehabilitation Medicine I, School of Medicine, Fujita Health University
© Professor Eiichi Saitoh
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20. Mai 1987: Hannelore Kohl bei der Übergabe des Luftkissenbettes an das Clemenshospital Münster. Im Bild rechts: der damalige Chefarzt der Neurochirurgie Prof. Dr. Klaus von Wild
© Westfälische Nachrichten, Fotograf: Matthias Ahlke
Die ZNS - Hannelore Kohl Stiftung für Verletzte mit Schäden des Zentralen Nervensystems mit Sitz in Bonn wurde 1983 von Frau Dr. med. h.c. Hannelore Kohl ins Leben gerufen. Die Stiftung unterhält einen Beratungs- und Informationsdienst für Schädelhirnverletzte und deren Angehörige, unterstützt bei der Suche nach geeigneten Rehabilitationseinrichtungen und fördert die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Neurologischen Rehabilitation. Sie engagiert sich in der Präventionsarbeit für Unfallverhütung. Bis heute konnten über 30 Mio. Euro aus Spendenmitteln für über 675 Projekte an Kliniken, Institutionen und Rehabilitationseinrichtungen in Deutschland weitergegeben werden. Jedes Jahr erleiden rund 270.000 Menschen Schädelhirntraumen, knapp die Hälfte von ihnen ist jünger als 25 Jahre. Dank der medizinischen Fortschritte kann vielen von ihnen geholfen werden.
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