Laudatio zum Förderpreis 2016

v.l. Professor Dr. Christian Gerloff, Dr. Sarah Hopp-Krämer, Dr. Kristina Schröder

Förderpreis 2016
der
ZNS - Hannelore Kohl Stiftung

Laudatio

von Prof. Dr. med. Christian Gerloff, Hamburg,

zur Übergabe an die Preisträgerin

Dr. Sarah Hopp-Krämer, Würzburg,

für die Arbeit: „Untersuchungen zur Pathophysiologie und therapeutischen Relevanz des Blutgerinnungsfaktors XII nach experimentellem Schädel-Hirn-Trauma“

Der mit € 10.000 dotierte Hannelore Kohl Förderpreis wird seit 1993 alle zwei Jahre verliehen. Er ist eine Auszeichnung für hervorragende Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses auf den Gebieten der Erforschung, Entwicklung und Erprobung von diagnostischen und therapeutischen Verfahren in der Neurorehabilitation Schädelhirnverletzter sowie der Prävention von Schädelhirnverletzungen. Wohlgemerkt, zum besseren Verständnis der Folgen von Schädel-Hirn-Traumata auf das Gehirn ist die Vernetzung grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse und klinischer Daten von entscheidender Bedeutung. Gerade aus dieser Allianz entstehen Innovationen in Diagnostik und Therapie.

Nach dem einstimmigen Votum des diesjährigen Preisrichtergremiums, bestehend aus Frau Dr. Ritz, Herrn Prof. Schönle, Herrn Prof. Schwab, Herrn Prof. von Wild, Herrn Prof. König und mir, ist die Preisträgerin Frau Dr. Sarah Hopp-Krämer.

Die von Frau Dr. Hopp-Krämer eingereichte Arbeit mit dem Titel „Untersuchungen zur Pathophysiologie und therapeutischen Relevanz des Blutgerinnungsfaktors XII nach experimentellem Schädel-Hirn-Trauma“ erfüllt alle geforderten Kriterien und ist in der renommierten Zeitschrift „Annals of Neurology“ publiziert. Letzteres belegt auch nach internatio­nalen Standards die hervorragende Qualität, da diese Zeitschrift zu den Top-Journalen in der neurologischen Forschung gehört und nur exzellente Arbeiten den kritischen Begutachtungsprozess erfolgreich überstehen.

Mit zwei tierexperimentellen Versuchsanordnungen, einem Kälte-induzierten Hirntrauma und einem mechanisch induzierten Hirntrauma untersuchte Frau Dr. Hopp-Krämer genetisch normale Mäuse, transgene Mäuse mit Gerinnungsfaktor-XII-Defizit und genetisch normale Mäuse, bei denen der Gerinnungsfaktor XII pharmakologisch durch die Substanz Infestin gehemmt wurde. Die Auswirkungen des Hirntraumas in den drei unterschiedlichen Gruppen wurden anhand multipler Parameter wie Läsionsgröße, Ausbildung des Hirnödems, Funktion der Blut-Hirn-Schranke, Thrombosen, Untergang von Neuronen, immunologischen Folgen, aber auch mittels Verhaltensanalysen untersucht. Eine sehr aufwändige Studie.

Das Hauptergebnis ist, dass die Tiere, bei denen Gerinnungsfaktor-XII genetisch fehlte, wie auch die Tiere, bei denen Gerinnungsfaktor XII pharmakologisch gehemmt wurde, in praktisch allen gemessenen Parametern signifikant günstiger abschnitten, also weniger schlimme Folgen des Hirntraumas hatten. Gerinnnungsfaktor XII ist eigentlich wichtig für die Stillung von Blutungen im Körper. Ein besonders interessantes Ergebnis der Arbeiten von Frau Dr. Hopp-Krämer war, dass es trotz der Blockierung von Gerinnungsfaktor XII bei den untersuchten Tieren nicht zu einem erhöhten Blutungsrisiko kam. Eine gezielte Hemmung von Faktor XII könnte also in Zukunft bei Schädel-Hirn-Trauma therapeutisch eingesetzt werden.

Damit haben diese qualitativ hervorragenden grundlagenwissenschaft­lichen Arbeiten das Potenzial, als Grundlage für einen klinisch relevanten, innovativen Ansatz in der Therapie des Schädel-Hirn-Traumas beim Menschen zu dienen; sie entsprechen in diesem Sinne einem zentralen Anliegen der ZNS - Hannelore Kohl Stiftung. Auch hat Frau Dr. Hopp-Krämer in ihren Arbeiten bereits erste Schritte in Richtung einer Translation vom Mausmodell auf den Menschen unternommen, indem menschliche Gewebeproben hergestellt und untersucht wurden.

Zu ihrer Vita: Frau Dr. Hopp-Krämer wurde 1985 in Kaiserslautern geboren. Sie lebt und arbeitet in Würzburg. Die jetzt preisgekrönten wissenschaftlichen Arbeiten erstellte sie im Rahmen eines Promotionsstudiums der Graduate School of Life Science an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, gefördert durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder. Ihr Lebenslauf ist bemerkenswert. Nach dem Abitur studierte sie zunächst Zahnmedizin in Saarbrücken und wechselte nach drei Jahren zum Studium der Pharmazie an die Rheinische Friedrich-Wilhelms­ Universität nach Bonn. Im praktischen Jahr arbeitete sie unter anderem in der pharmazeutischen Industrie und approbierte 2012 als Apothekerin. Danach zog es sie in die grundlagenorientierten Neurowissenschaften, und das mit großem Erfolg, zu dem wir ihr heute mit der Überreichung des Hannelore Kohl Förderpreises herzlich gratulieren möchten.