Laudatio zum Förderpreis 2010

Förderpreis 2010
der
ZNS - Hannelore Kohl Stiftung

Laudatio

von Prof. Dr. Dr. h.c. Prof. h.c. Klaus von Wild, Münster
zur Übergabe an den Preisträger

Frau Dr. phil. Stefanie Abel, Aachen,
für die Arbeit:

"Connectionist diagnosis of lexical disorders"


anlässlich des wissenschaftlichen Symposium der ZNS - Hannelore Kohl Stiftung "Zukunftsperspektiven der Hirntraumaforschung" am 19. November 2010 in Berlin

Meine sehr verehrten Damen und Herren,Frau Dr. HANNELORE KOHL hatte hoch motiviert aus eigenem Erleben und fachkundig beraten durch erfahrene Ärzte, Neurowissenschaftler und angesehenen Persönlichkeiten aus Politiker und Wirtschaft im Dezember 1983 weit vorausschauend das KURATORIUM ZNS gegründet. Seither steht der Name HANNELORE KOHL für die gezielte Hilfe für Verletzte mit Schäden des Zentralen Nervensystems (ZNS). Das KURATORIUM ZNS, dessen Präsidentin sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2001 war, hat in entscheidend wichtigen Bereichen der Unfallverhütung, der Patientenversorgung und der Rehabilitation von Schädelhirnverletzten die Situation der Betroffenen und ihrer Angehörigen nachhaltig verbessert. Darüber hinaus hat das KURATORIUM ZNS nachhaltig auf eine Weiterentwicklung und Versorgungsqualität unseres Sozialversicherungssystems wie auch auf die Verkehrssicherheit eingewirkt. Kritisch analysierend und visionär wurde der Rahmen der zu gewährenden Unterstützung den steigenden Bedürfnissen immer wieder angepasst. Vorstand, Kuratorium und der Beirat haben gemeinsam mit ihrer kenntnisreichen und einfühlsamen Beratung wesentlich zu dem bisherigen Gelingen beigetragen. So wurde das KURATORIUM ZNS bzw. die heutige ZNS - Hannelore Kohl Stiftung auch zum Vorbild für vergleichbare Initiativen in anderen Ländern. Denken wir zurück. Hirnverletzungen und ihre langjährigen Folgen, die nach dem Krieg präsent waren, wurden als Verkehrsunfallfolgen auch noch in den 70er - Jahren in der Öffentlichkeit nicht entsprechend thematisiert, als HANNELORE KOHL über ihr Engagement in der Neurologischen Klinik des BDH-Bundesverband für Rehabilitation in Vallendar bei Koblenz erkannte, dass hier eine große gesellschaftliche Aufgabe zu leisten ist. Mit dem KURATORIUM ZNS und der von ihr 1993 gegründeten Hannelore-Kohl-Stiftung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, hat HANNELORE KOHL den Schädelhirnverletzten, die sich häufig selbst nicht äußern können, und ihren Familien eine Stimme gegeben, die gehört und fortan bei Entscheidungen berücksichtigt wurde. Ihre Natürlichkeit, ihr Fachwissen und ihre Tatkraft öffneten viele Türen für die Sache der Unfallopfer in unserer Gesellschaft. „Die Arbeit für das KURATORIUM ZNS war ihr eine Herzensangelegenheit“, beschrieb Bundeskanzler a.D. Dr. Helmut Kohl das Wirken seiner Frau. Und ganz in diesem Sinne äußern sich auch ihre beiden Söhne, die Herren Walter und Peter Kohl, die jetzt engagiert den Namen KOHL und das Anliegen der Mutter in der Stiftung weitertragen, „Das KURATORIUM ZNS und die ZNS Stiftung - das war ihr Ding!“ Zitat Ende. Das stets herzliche, engagierte Auftreten von HANNELORE KOHL, ihr Wissen um die Nöte der vom Schicksal Betroffenen und ihre Suche neue Lösungsmöglichkeiten haben wesentlich zum Ansehen und zur heutigen Ausstattung der ZNS - Hannelore Kohl Stiftung mit beigetragen. Ganz in ihrem Sinne hat sich Frau Dr. Ute-Henriette Ohoven, seit Juni 2002 Präsidentin der ZNS-Stiftung, mit großem Einsatz und Erfolg dem ursprünglichen Ziel verschrieben, durch Verbesserung der neurologischen, neurochirurgischen und neuropsychologischen Rehabilitation die soziale Wiedereingliederung schädelhirnverletzter Unfallopfer in Familie, Schule, Beruf und Gesellschaft zu erleichtern. Zugleich galt und gilt es, die Wissenschaft auf den anstehenden Gebieten nachhaltig zu fördern. Für ihren großartigen Einsatz und ihr Geschick während der vergangenen 8 Jahre, und ganz besonders während der zuletzt gemeisterten schwierigen Phase, möchte ich ihr im Namen des Preisrichterkollegiums heute, am Tage ihres Abschiedes als Präsidentin, sehr herzlich danken. Wir freuen uns, sie als Ehrenpräsidentin weiter an unserer Seite zu haben. Damit komme ich zu der Verleihung des Hannelore Kohl Förderpreises 2010. Der Förderpreis ist eine Auszeichnung für hervorragende Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses auf den Gebieten der Erforschung, Entwicklung und Erprobung von diagnostischen und therapeutischen Verfahren in der Neurorehabilitation Schädelhirnverletzter sowie der Prävention von Schädelhirnverletzungen. Gemäß unserer für die Vergabe des Förderpreises 2010 neu definierten speziellen Zielsetzung der ZNS - Hannelore Kohl Stiftung, waren uns besonders wissenschaftliche Beiträge willkommen, die sich mit neuropsychologischen bzw. verhaltensneurologischen Fragen und Lösungsansätzen nach Schädelhirnverletzungen bei Kindern und Erwachsenen beschäftigen. Der Preis ist mit 10.000.00 € dotiert. Auch in diesem Jahr wurden wiederum erstklassige wissenschaftliche Beiträge entsprechend der Richtlinien eingereicht. Das Preisrichterkollegium hat nach eingehender Diskussion einstimmig den herausragenden Beitrag von Frau Dr. phil. Stephanie Abel ausgezeichnet. Die Arbeit trägt denTitel: „Connectionist diagnosis of lexical disorders“ publiziert im November 2009 in Aphasiology (23(11) 1353-78), gemeinsam mit den Koautoren Huber und Dell. Behandelt wird hierin die Anwendbarkeit von modellgeleiteter und computergestützter Diagnostik auf Störungen des mentalen Lexikons bei deutschsprachigen Personen mit erworbenen Sprachstörungen nach Hirnschädigung, hierunter auch am Beispiel traumatischer Hirnläsionen. Durch eine präzise Diagnostik der zugrundeliegenden Störungsursache wird die Basis für eine effektive Therapie geschaffen, wie sie in einer früheren Studie von der Preisträgerin gemeinsam mit Willmes und Huber in Aphasiology, 2007, veröffentlicht wurde. Zudem liefert die Studie eine Grundlage für die Weiterentwicklung des kognitiven Modells einer erweiterten Modellversion. Der 1993 gestiftete HANNELORE KOHL - Förderpreis wurde zuerst im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie und klinische Neuro-Psychologie in Münster am 19. März 1993 durch das Vorstandsmitglied des KURATORIUMS ZNS, Herrn Prof. Dr. Dr. Klaus Mayer, verliehen an Dr. Ulrich Poser von den Kliniken Dr. Schmieder für die Untersuchung zur "Evaluierung eines neuro-psychologischen Funktionstrainings bei Patienten mit kognitiver Verlangsamung nach Schädelhirntraumen". Also auch ein Thema aus der Neuropsychologie!  Neben der Historie erwähne ich diese erste Preisvergabe hier auch, weil ich selbst 1993 Kongresspräsident dieser DGNKN Jahrestagung war und in den Folgejahren als Präsident der DGNKN immer gerne dem KURATORIUM ZNS und der ZNS - Hannelore Kohl Stiftung auf den Jahrestagungen das entsprechende Forum für die Preisvergabe bieten konnte. Als Neurochirurg war mir die besondere Bedeutung von kognitiven -neuropsychologischen, verhaltensneurologischen Langzeitstörungen nach Hirntrauma für die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Betroffenen sehr bewusst. Eine Tatsache, die manche Fachkollegen bis heute nicht ganz verstehen und auch Neuropsychologen mir nicht zugetraut haben. So ist es mir eine ganz besondere Freude, heute den Lehrer der zu Belobenden, Herrn Prof. Dr. phil. Walter HUBER, zu begrüßen, Univ. Professor emeritus für Neurolinguistik. Er leitete von 1991 bis 2010 die Sektion Neurolinguistik mit Aphasiestation und Sprachambulanz an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikum Aachen. Kennen und schätzen gelernt hatte ich ihn in der DGNKN. In seinem Brief an die ZNS - Hannelore Kohl Stiftung vom 29. Juli 2010 schrieb mir Prof. Huber, ich zitiere. “Ich habe mich über die Entscheidung des Preisrichterkollegiums sehr gefreut. Frau Dr. Abel wurde hier in Aachen unter meiner Federführung zum Dr. phil. in Kooperation der Medizinischen Fakultät und der Philosophischen Fakultät promoviert. Sie hat mit großer Eigenständigkeit und wissenschaftlicher Kreativität und Initiative den Ansatz der konnektionistischen Aphasiediagnstik, wie von Gary DELL und Myma SCHWARTZ in den Vereinigten Staaten entwickelt, für das Deutsche auf seine Validität überprüft und auch für die deutsche Aphasiediagnostik und theoretische Grundlagenforschung Fortschritte erreicht. Frau Dr. Abel war als PostDoc an meiner Sektion Neurolinguistik an der neurologischen Klinik tätig. Sie ist jetzt Inhaberin einer eigenen DFG-Forschungsstelle. Der Förderpreis ist auch ein kleines persönliches Geschenk an mich“. Zitat Ende. Prof. Huber hat unser Votum und die damit verbundene Botschaft an ihn richtig verstanden! Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte, liebe Preisträgerin, Frau Dr. Abel! Nach dieser Anerkennung aus dem berufenen Munde Ihres Lehrers, möchte ich in der gebotenen Kürze noch einige Anmerkungen aus Ihrer Vita anfügen: Nach dem Magisterstudium an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf und der RWTH Aachen haben Sie vor ziemlich genau 9 Jahren 2009 Ihren Magisterabschluss der Deutschen Philologie, Philosophie und Politischen Wissenschaften mit einer Magisterarbeit über Lexikalische Störungen bei Aphasie mit Auszeichnung bestanden. Gutachter waren die Herren Professoren Huber und Liedke. Mit einem Promotionsstipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes wurden Sie in Aachen mit Ihrer Dissertation: Modellgeleitete Aphasietherapie bei lexikalischen Störungen, Konnektionistische Diagnostik und Benenntherapie“ bei den Herren Professoren Huber und Jäger 2007 zum Dr. phil. promoviert mit der Gesamtnote „summa cum laude“.2006 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Kooperationsprojekten der Neurologischen Universitätsklinik Freiburg und der Neurolinguistik Aachen engagiert, sind Sie 2007 wieder nach Aachen gegangen. In den Jahren 2006-2008 waren Sie in ein DFG Projekt: "Modell orientierte Behandlung von Wortproduktionsstörungen bei Aphasie" eingebunden und seit 2007 sind Sie mit dem BMBF Projekt „Modellbasierte Therapie. Verhaltensmodulation im sprachlichen Netzwerk (als Teil des Verbundprojektes „Mechanismen der Reorganisation im sprachlichen Netzwerk)" betraut. Auslandsaufenthalte dienten Ihrer wissenschaftlichen Arbeit und Weiterbildung: 2003 waren Sie als Auslandsstipendiatin der Studienstiftung an der Unversity of Illinoise at Urbana-Chamaigne bei Prof. Gary Dell. 2005 am MPI für Psycholinguistik in Nimwegen, bei Dr. Ardi Roelofs, 2008 bei Prof. Lindsey Nickels am Macquarie Centre for Cognitive Science in Sidney. Zahlreiche Auszeichnungen sind dem Hannelore Kohl Förderpreis voraus gegangen:

  • 2003 der 1. Förderpreis der Gesellschaft für Aphasieforschung und -behandlung,
  • 2004 der Academy of Aphasia Award der 42. Jahrestagung in Chicago,
  • 2009 Listenplatz 2, Juniorprofessor “Sprachwissenschaft” RWTH Aachen und
  • die Borchers-Plakette der Freunde der Aachner Hochschule.


Nach dieser Einführung möchte ich Sie jetzt um Ihr Referat über Ihre ausgezeichnete Arbeit bitten, bevor Ihnen die Urkunde und der Scheck überreicht werden.