Laudatio zum Förderpreis 2018 und zu den Doktorandenstipendien 2018
der
ZNS – Hannelore Kohl Stiftung
Laudatio
von Dr. Stefan Zimmer, Vizepräsident der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, Frankfurt,
zur Übergabe an die Förderpreisträgerin
Luise Woost, Hamburg,
für die Arbeit: “Physical Exercise and Spatial Training: A Longitudinal Study of Effects on Cognition, Growth Factors, and Hippocampal Plasticity”
zur Übergabe an die Stipendiatin
Rida Rehman, Ulm,
für ihre Promotion zum Thema: „Large scale signaling architecture reveals translational targets for therapy in blunt Traumatic Brain Injury at acute time point “
zur Übergabe an die Stipendiatin
Lisa Neumayr, München,
für ihre Promotion zum Thema:
„Prä- und postoperative Gesichtsfelddefekte bei Kindern mit pharmakorefraktären Epilepsien: Untersuchbarkeit, Prävalenz, Kompensation“
anlässlich des "13. Nachsorgekongresses der Arbeitsgemeinschaft "Teilhabe, Rehabilitation, Nachsorge und Integration nach Schädelhirnverletzung" am 1. März 2019 in Regensburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst darf ich Ihnen die allerherzlichsten Grüße unseres Präsidenten übermitteln. In seiner Vertretung habe ich heute die große Freude, drei junge Frauen anzukündigen und zu begründen, warum jede von ihnen einen Preis verdient hat.
Wir haben drei Preise á 10.000 € zu vergeben – und das ist wirklich keine Kleinigkeit.
Den Förderpreis der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung gibt es seit 1993. Er wird für hervorragende Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses unter 35 Jahre verliehen. Diese Leistungen müssen erbracht sein auf den Gebieten der Forschung, Entwicklung, Erprobung von diagnostischen- und therapeutischen Verfahren in der Neurorehabilitation schädelhirnverletzter Menschen sowie in der Prävention von Schädelhirnverletzungen.
Daneben bieten wir zwei Doktorandenstipendien über 10.000 € für Bewerberinnen und Bewerber, die nicht älter als 30 Jahre sein dürfen und aus den Neuro- bzw. Pflegewissenschaften mit dem Schwerpunkt Schädelhirntrauma kommen. Gefördert werden klinische, klinisch-experimentelle und experimentelle Arbeiten.
Luise Woost
Zunächst zur Preisverleihung an Frau Luise Woost. Sicherlich sagt den Älteren von Ihnen der Name Emil Zátopek noch etwas? Emil Zátopek war ein tschechoslowakischer Leichtathlet, einer der besten Mittel- und Langstreckenläufer überhaupt. Er hatte einen ganz merkwürdigen Laufstil, weshalb man ihn auch „die tschechische Lokomotive“ nannte. Er war kein eleganter Läufer wie zum Beispiel der Finne Paavo Nurmi in den 30er Jahren, der scheinbar als begnadeter Läufer auf die Welt gekommen war. Emil Zátopek hat immer mit den Armen gerudert und gewalzt und hatte einen völlig unergonomischen Laufstil. Dafür hat er trainiert wie ein Verrückter. Er hat schon in den 40er und 50er Jahren Intervalltraining mit hoher Belastung und häufigen Wiederholungen betrieben. Damals war das sehr innovativ. Und Emil Zátopek wusste schon damals: „Wenn jemand einmal trainiert, passiert nichts, wenn er aber hundertmal oder gar tausendmal trainiert, dann verändert er sich, und zwar nicht nur körperlich“.Wie kann sich ein Mensch verändern? Diese interessante Fragestellung verbindet nun Frau Luise Woost mit Herrn Emil Zátopek. Kann durch häufiges körperliches Training eine Veränderung herbeigeführt werden? Und kann vielleicht dadurch auch eine Veränderung herbeigeführt werden, die sich auf die kognitiven Leistungen auswirkt, also auf die Fähigkeit Probleme zu lösen und Sachverhalte zu erkennen?
Frau Woost wurde 1989 in Vogtlandkreis in Sachsen geboren. Sie lebt und arbeitet seit 2017 als klinische Psychologin an der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg. Außerdem ist sie als Honorardozentin an der FOM Hochschule für Ökonomie & Management tätig und überhaupt eine würdige Preisträgerin. Herzlich Willkommen und schon einmal herzlichen Glückwunsch, Frau Luise Woost.
Frau Woost hat sich gefragt, ob sportlich-körperliche Aktivitäten bei jungen Erwachsenen auch die Trainingseffekte eines sich anschließenden kognitiv-räumlichen Trainings verstärken können. Gibt es eine mögliche Interaktion? Im Fachjargon fragt man nach der „trainingsinduzierten Gehirnplastizität“.
Das ist eine sehr spannende Fragestellung und die Ergebnisse sind differenziert zu betrachten. Nachweisbar konnten die Studienteilnehmer zwar Fortschritte in den Trainingsverfahren erzielen, Hinweise auf einen Vorteil im kognitiv-räumlichen Training nach der sportlichen Aktivität fanden sich jedoch nicht.
Durch die Untersuchung von Plastizität – d.h. der Eigenschaft einzelner Synapsen, Nervenzellen und ganzer Gehirnareale, sich in Abhängigkeit von ihrer Nutzung zu verändern – liefert die Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Anwendung und Weiterentwicklung körperlicher und kognitiver Therapieansätze nach erworbener Hirnschädigung im klinisch-rehabilitativen Kontext.
Deshalb hat sich das Preisrichtergremium, das aus ausgewiesenen Kapazitäten aus verschiedenen Bereichen der Neurowissenschaften besteht, dafür ausgesprochen, Frau Woost für ihre Forschungsarbeit über den Transfer von körperlichem Training auf kognitive Leistungsfähigkeit mit dem Titel: „Physical Exercise and Spatial Training: A Longitudinal Study of Effects on Congnition, Growth Factors and Hippocampal Plasticity“ mit dem Hannelore Kohl Förderpreis auszuzeichnen.
Rida Rehman
Es gibt ein sehr schönes pakistanisches Sprichwort, das sagt: „Sieh auf niemanden herab, außer du willst ihm aufhelfen.“ Ein wunderschönes Sprichwort, sehr passend für unsere gemeinsame Arbeit und noch passender für diese Preisverleihung, denn eine der beiden auszuzeichnenden Stipendiatinnen kommt aus Pakistan. Vielleicht beseelt von diesem Sprichwort interessiert sie sich für folgende Fragestellung: Wie können wir Menschen nach Schädelhirntrauma wieder schneller auf die Beine helfen und wie lässt sich die Heilung in kurzer Zeit verbessern?
Frau Rida Rehman arbeitet derzeit an der Universität Ulm an ihrer Doktorarbeit in Humanbiologie. Sie stammt aus Pakistan, wo sie an der National University of Sciences and Technology studiert und dieses Studium mit dem Master in Biomedizinischer Forschung abgeschlossen hat.
Frau Rehman untersucht, inwieweit sich durch die Gabe von Medikamenten – relativ zeitnah nach einem Schädelhirntrauma – die Weiterleitung von Informationen zwischen den Nervenzellen beeinflussen lässt. Im speziellen beschäftigt sie sich mit der Frage, wie sich die molekularen Signalwege unmittelbar nach einem akuten Schädelhirntrauma entwickeln bzw. beeinflussen lassen. Diese Signalwege sind wichtig für die Weiterleitung von Informationen in Nervenzellen. In diesem Zusammenhang überprüft Frau Rehman, ob Immunprozesse, wie Entzündungen, auch nach Schädelhirntrauma durch die Gabe von z. B. bereits in der Therapie von Krebs genehmigten Medikamenten gestoppt werden können und wann der beste Zeitpunkt für den Einsatz dieser Medikamente ist. Erste Resultate ihrer Forschungsarbeit haben gezeigt, dass eine Blockierung dieser Signalwege in den ersten drei Stunden nach einem Schädelhirntrauma die Bewegungsfähigkeit verbessert.
Damit Frau Rehman diese vielversprechenden Ergebnisse in weiterer Forschungsarbeit an der Universität Ulm genauer untersuchen kann, unterstützt die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung sie im Rahmen eines zwölfmonatiges Doktorandenstipendium mit insgesamt 10.000 €. Herzlichen Glückwunsch.
Lisa Neumayr
Als Kampimetrie wird nicht etwa die Vermessung von Campingplätzen bezeichnet, vielmehr ist sie eine Methode zur Vermessung des Gesichtsfeldes. Und wie hängt das nun mit schädelhirnverletzten Menschen zusammen? Auf Grund einer Hirnverletzung kann es zu Epilepsien kommen, die durch Medikamente nicht geheilt oder behandelt werden können. Solche sogenannten pharmakorefraktären Epilepsien bergen ein erhebliches Risiko für eine anhaltende Schädigung des Nervensystems und für Beeinträchtigungen der kognitiven Entwicklung.
Wenn man nicht medikamentös behandeln kann, wird meist ein chirurgischer Eingriff notwendig. Bei solch einer Operation können allerdings angrenzende Gehirnareale beschädigt werden, gegebenenfalls auch der Sehnerv. Wird der Sehnerv geschädigt, kann das zu sogenannten Gesichtsfelddefekten führen. Diese gilt es insbesondere bei Kindern zu erkennen. Besonders bei kleinen Patienten ist es wichtig, frühzeitig durch Gesichtsfelduntersuchungen festzustellen, ob sich das Gesichtsfeld nach einer Operation verändert hat oder nicht. Denn nur durch eine aussagekräftige Diagnose kann anschließend auch entsprechend therapiert werden.
Die kleinen Patienten können noch nicht antworten auf Fragen wie: Hast du vorher anders gesehen? Und was siehst du am Rand? Was ist oben und unten? Dennoch müssen genau diese Fragestellungen untersucht werden. Frau Lisa Neumayr nimmt sich nun dieser Forschungsfrage an und führt mithilfe eines Kampimeters solche Gesichtsfelduntersuchungen durch. Ihre ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass diese Untersuchungsmethode schon bei Klein- und Kleinstkindern erfolgreich ist. Diese mutmachenden und zukunftsweisenden Forschungsergebnisse ihrer Arbeit waren dem Preisrichtergremium Grund, sich dafür auszusprechen, dass auch Frau Neumayr ein Doktorandenstipendium für 12 Monate von insgesamt 10.000 € erhalten soll. Dazu gratulieren wir ihr sehr herzlich.
Frau Neumayr, geboren in Ebersberg, lebt derzeit in München, hat vor Beginn ihres Medizinstudiums erfolgreich die Ausbildung zur Orthoptistin abgeschlossen und forscht im Rahmen ihrer Promotion an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen.