Interview zum Engagement für die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung
Herr Tiefenbacher, ihre Lebensgeschichte ist bewegend. Auf Ihrer Website findet sich das Motto „Mit der Musik zurück ins zweite Leben“. Warum hat dieser Satz für Sie eine besondere Bedeutung?
Mit dem Unfall am 25. Juli 1999 war mein bisheriges Leben ausgelöscht. Ich musste alles neu lernen, selbst meine engsten Familienmitglieder waren mir fremd. Musik hat mich immer begleitet und berührt, war mir immer vertraut – auch nach dem Unfall. Deshalb wurde sie auch zum Schwerpunkt in meinem „zweiten“ Leben. Durch engagierte Musiktherapeuten und Musiklehrer wurde ich langsam wieder an die Musik herangeführt. Dank meiner Familie, die mir wieder Freude am Leben vermittelt hat, wurde ein Instrumentenbauer gefunden, der mein Saxofon umgebaut hat. Durch die Förderung von meinem jetzigen Musiklehrer Walter Weh habe ich viel von meinem musikalischen Selbstbewusstsein wiedergefunden.
Wie sieht Ihr „zweites Leben“ heute aus?
Ich bin froh und zufrieden, heute in meiner eigenen Wohnung wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Und ich bin dankbar, von meiner Familie und vielen anderen Menschen dabei Unterstützung zu bekommen. Dank der Musik konnte ich mir neue Perspektiven schaffen. Dank meiner Familie und Freunde habe ich neue Lebensinhalte gefunden. Auch heute, 17 Jahre nach dem Unfall, arbeite ich Tag für Tag mit verschiedensten Therapeuten daran, Fähigkeiten wiederzuerlangen, meine Gesundheit zu stabilisieren und mir bei allem eine positive Herangehensweise zu erhalten. Und das ist auch eine wichtige Botschaft, die ich an dieser Stelle vermitteln möchte: Für die erfolgreiche Rehabilitation von hirnverletzten Menschen ist es enorm wichtig, dass alle Behandlungen individuell abgestimmt werden. Jeder Mensch ist anders. Jede Hirnschädigung ist anders. Der Schlüssel zum Erfolg der Behandlungen ist bei jedem Unfallopfer anders. Bei mir war es – auch wenn es sich merkwürdig anhört – die Musik.
Vielen Dank für den sehr persönlichen Einblick in ihr „zweites Leben“. Was möchten Sie als Botschafter für Unfallopfer mit Beeinträchtigungen gemeinsam mit der Stiftung erreichen?
Ich möchte für Verständnis werben. Verständnis für die besondere Situation, in der sich Menschen, die eine schwere Schädelhirnverletzung erlitten haben, befinden. Für die Unfallopfer ist von einer Sekunde auf die andere nichts mehr wie es war. Sie brauchen kompetente Hilfe und Unterstützung, haben besondere Bedürfnisse bei der Rehabilitation und Nachsorge. Ich möchte für Verständnis in der Öffentlichkeit werben, denn hirnverletzte Unfallopfer haben mit zahlreichen Einschränkungen zu kämpfen, die ihnen ein Leben inmitten der Gesellschaft erschweren. Ich möchte für Verständnis für die Situation der Angehörigen werben, die sich tagtäglich um ihr verletztes Familienmitglied kümmern. Und ich möchte nicht zuletzt um Spenden werben, damit die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung ihre Hilfeangebote aufrechterhalten und ausbauen kann. Denn bei allen positiven Entwicklungen in den letzten Jahren: Es gibt immer noch gravierende Lücken in der Versorgung von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen.
Mehr Informationen zu Stefan Tiefenbacher erhalten Sie auf seiner Website www.tiefenbacher-music.de