Wenn Sie Ihren Angehörigen in der Klinik, auf der Intensivstation, auf der Frührehastation, im Pflegeheim oder in häuslicher Umgebung besuchen und in Kontakt mit ihm treten, beachten Sie bitte jederzeit, dass Ihr Angehöriger ein Mensch ist, der im Umgang mit anderen Menschen und im Hinblick darauf, was andere über ihn reden mögen, empfindsam ist.
2. Vergewissern Sie sich im Umgang mit Ihrem Angehörigen, dass Sie ihn nicht geschmerzt, verletzt oder gar gekränkt haben, das heißt:
• Seien Sie möglichst einfühlsam, behutsam und liebevoll, um das notwendige Vertrauen zu ermöglichen und zu fördern.
• Vermeiden Sie unbedingt Kneifen, Necken oder unangenehmes Stimulieren.
• Machen Sie keine herablassenden Bemerkungen am Krankenbett, und versuchen Sie zu vermeiden, dass andere dies tun.
• Versuchen Sie, Ihren Angehörigen nicht mit Ihren eigenen Angstgefühlen und Sorgen zu belasten. Sprechen Sie stattdessen mit anderen Menschen, z. B. den Pflegenden oder Ärzten, die bereit sind, Sie anzuhören und zu entlasten, bevor Sie ihren kranken Angehörigen besuchen.
• Versuchen Sie, gefasst und optimistisch zu wirken, indem Sie in jeder Situation die positiven Momente hervorheben und beachten.
• Seien Sie nicht enttäuscht, wenn Ihr Angehöriger bei Ihrem Besuch und Ihrer Kontaktaufnahme ruhiger wird und einschläft; das ist kein Zeichen für Ablehnung oder Desinteresse, sondern ein Zeichen dafür, dass Ihr Angehöriger Ihnen vertraut, sich sicher fühlt und sich somit entspannen kann. Verstehen Sie das Schlafen als ein „Gesundschlafen“ (Erholungsschlaf).
• Begegnen Sie Ihrem betroffenen Angehörigen auch dann mit warmen, positiven Gefühlen, wenn Sie sich nicht sicher sind, dass er sie spürt.
• Versuchen Sie, Ihrem Angehörigen positive Gefühle entgegenzubringen, indem Sie sich anregend und förderlich verhalten.
• Versuchen Sie, mit Ihrem Angehörigen in einen engen, liebevollen Kontakt zu kommen und ihm dabei Angebote zum Dialog zu machen.
• Achten Sie darauf, was Ihr Angehöriger in zuerst oft feinsten vegetativen, körperlichen oder mimischen Regungen (evtl. zuerst nur auf dem Monitor) körpersprachlich von sich gibt und wie er sich selbst aktualisiert („Körpersemantik“). Solche Phänomene können Ausdruck von wieder einsetzender Vitalität sein und eine frühe Erholungsstufe einleiten.
3. Ihr Angehöriger ist durch das schädigende Ereignis schwerst beeinträchtigt; er ist aber kein „Defizitwesen“, sondern ein kranker, wehrloser und auf andere angewiesener Mit-Mensch und Mitbürger.
4. Bemühen Sie sich von Anfang an um regelmäßige Kontaktaufnahme und Gespräche mit Pflegenden, Ärzten und Therapeuten, um Ihre Sorgen und Ängste mitteilen und um Fragen „loswerden“ zu können. Auch erscheint es ratsam, sich früh vom Sozialdienst oder auch Psychologen des Krankenhauses über Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten beraten zu lassen, auch wenn die Prognose anfangs oft noch unklar ist. Je besser Sie informiert sind, Sie die Informationen verstanden haben, mit ihnen umgehen können und Sie die Informationen für sich als sinnvoll erleben, umso besser werden Sie sich selbst fühlen und den Kontakt zu Ihrem Angehörigen halten können.
5. Bringen Sie viel innere Kraft, Zuversicht, Geduld und Ausdauer mit; vor allem aber viel Zeit. Freuen Sie sich über jeden kleinen Fortschritt. Und freuen Sie sich darüber, dass Sie auch in dieser extremen Situation nicht von Ihrem Angehörigen getrennt (isoliert) sind, sondern zusammen sein können. Versuchen Sie, sich darauf einzustellen und zu lernen, sich auf Ihre eigene Aufmerksamkeit und Intuition zu verlassen, um trotz der widrigen und belastenden Situation die Verbundenheit mit Ihrem Angehörigen spüren zu können.
6. Bedenken Sie, dass eine schwere Hirnerkrankung immer auch eine psychische Kränkung mit sozialen Verlusten bedeutet. Versuchen Sie, Ihrem Angehörigen diejenige Anerkennung und Wertschätzung zu vermitteln, die Sie sich in seiner Situation wünschen würden, um sich im gesellschaftlichen Miteinander nicht als „Defizitwesen“ oder „Ausgeschlossener“ zu empfinden. Entscheidend für den Dialog ist Ihre Grundhaltung.